Wer an eine Karriere im Investmenbanking denkt, weiß, dass die Arbeitszeiten kein Spaziergang sind. Aber wie sieht der Alltag wirklich aus? Sind 100-Stunden-Wochen der Standard oder nur eine Ausnahme? Und haben sich die Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren tatsächlich verbessert, oder ist das alles nur PR?
Fakt ist: Die Arbeitszeiten im Investmentbanking gehören zu den härtesten überhaupt. 16-Stunden-Tage sind keine Seltenheit, Wochenenden oft nicht wirklich frei, und wenn ein wichtiger Deal ansteht, kann es sein, dass du mitten in der Nacht noch Präsentationen überarbeitest oder auf Last-Minute-Anfragen eines Kunden reagieren musst. Trotzdem zieht es viele in die Branche – wegen des hohen Gehalts im Investmentbanking, der Karriereperspektiven und des einzigartigen Arbeitsumfelds.
Arbeitszeiten: Wie viele Stunden arbeiten Investmentbanker wirklich?
Die meisten Investmentbanker arbeiten weit mehr als die übliche 40-Stunden-Woche. Durchschnittlich liegen die Arbeitszeiten bei 80 bis 90 Stunden pro Woche, in Spitzenzeiten sogar darüber. Wer in einer besonders hektischen Phase arbeitet, etwa vor dem Abschluss einer großen Transaktion oder während eines Börsengangs, kann auch mal auf 100 Stunden oder mehr kommen.
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Investmentbanker berichtet, dass er von Montag bis Mittwoch von 9:00 bis 23:00 Uhr im Büro ist, donnerstags bis etwa 20:00 Uhr arbeitet (je nach Abreise zu Kunden) und freitags „nur“ bis 18:00 Uhr. Das zeigt, dass die Tage extrem lang sind, oft bis spät in die Nacht.
Karrierestufe | Durchschnittliche Wochenstunden | Beschreibung der Arbeitsbelastung | Work-Life-Balance |
---|---|---|---|
Analyst | 80 – 100 Stunden | Extrem lange Arbeitszeiten, oft bis spät in die Nacht und an Wochenenden. Viele repetitive Aufgaben wie Präsentationen und Excel-Analysen. | Sehr gering, kaum Freizeit, hohe Belastung |
Associate | 70 – 90 Stunden | Hoher Workload, etwas mehr Verantwortung als Analysten, aber weiterhin intensive Wochenarbeitszeiten. Gelegentliche freie Wochenenden, aber nicht garantiert. | Leicht verbessert, aber immer noch sehr fordernd |
Vice President (VP) | 60 – 80 Stunden | Mehr Kundenkontakt und Führungsverantwortung. Arbeitszeit reduziert sich leicht, aber Abhängigkeit von Dealflow. | Besser als Associate, aber weiterhin hohes Arbeitsaufkommen |
Senior Vice President (SVP) | 50 – 70 Stunden | Mehr strategische Aufgaben, weniger operative Tätigkeiten. Kundeninteraktionen dominieren den Alltag. | Mehr Kontrolle über die eigene Zeit, aber weiterhin fordernd |
Director | 50 – 60 Stunden | Fokus auf Business Development und Kundenmanagement. Mehr Flexibilität, aber hoher Druck, neue Deals an Land zu ziehen. | Deutlich bessere Work-Life-Balance als in den unteren Stufen |
Managing Director (MD) | 45 – 60 Stunden | Weniger operative Arbeit, stärker auf Netzwerken, Kundenbeziehungen und strategische Entscheidungen fokussiert. | Hohe Flexibilität, da Eigenverantwortung steigt, aber ständige Erreichbarkeit erforderlich |
Warum sind die Arbeitszeiten im Investmentbanking so extrem?
Es gibt mehrere Gründe, warum Investmentbanker so lange arbeiten:
- Deals sind zeitkritisch – Wenn ein Kunde eine Übernahme plant oder ein Unternehmen an die Börse geht, läuft die Arbeit auf Hochtouren. Banken müssen oft in kürzester Zeit komplexe Analysen liefern, was zu Nachtschichten führt.
- Kunden erwarten rund um die Uhr Unterstützung – Viele Investmentbanking-Deals sind global, das heißt, man arbeitet oft mit Teams und Kunden in verschiedenen Zeitzonen.
- Hoher Wettbewerbsdruck – Die Branche ist hart umkämpft, und niemand will sich die Chance auf eine Beförderung verbauen. Das führt dazu, dass viele Junior-Banker bereit sind, über ihre Grenzen zu gehen.
- Unvorhersehbare Arbeitslast – Es kann Wochen geben, in denen es relativ ruhig ist, aber wenn ein Deal Fahrt aufnimmt, ist plötzlich jede Stunde kostbar.
Arbeitszeiten nach Unternehmenstyp
Nicht alle Investmentbanking-Jobs sind gleich stressig.
Es gibt deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Unternehmensarten:
- Klassische Investment Banken (z. B. Goldman Sachs, J.P. Morgan) haben die intensivsten Arbeitszeiten, oft 90 bis 100 Stunden pro Woche. Diese Banken kümmern sich um große Transaktionen, Unternehmensfusionen und Börsengänge.
- Private Equity-Firmen haben ein weniger hektisches Tempo. Hier sind 50-Stunden-Wochen realistischer, wobei die Erwartungen an Leistung und Erfolg immer noch hoch sind.
- Konzerne mit Investment-Abteilungen bieten meist eine bessere Work-Life-Balance. Hier arbeiten Investment-Spezialisten oft nur 40 bis 50 Stunden pro Woche, müssen aber im Vergleich zu klassischen Investmentbanken auf Boni und schnelle Aufstiegsmöglichkeiten verzichten.
Arbeitszeiten nach Karrierestufe
Die Position im Unternehmen bestimmt oft, wie viele Stunden tatsächlich gearbeitet wird:
Director & Managing Director (MD): Direktoren und Managing Directors bestimmen die Richtung der Bank, kümmern sich um große Kunden und verhandeln strategische Deals. Sie haben mehr Kontrolle über ihre Arbeitszeit, müssen aber ständig verfügbar sein – der Feierabend ist oft nur theoretisch.
Analyst & Associate (Einstiegspositionen): Wer als Analyst startet, hat mit Abstand die härteste Zeit. 80 bis 100 Stunden pro Woche sind die Regel. Als Associate wird es etwas besser, aber auch hier bleibt es bei langen Tagen.
Vice President (VP) & Senior Vice President (SVP): Wer die ersten Jahre übersteht, kann als VP oder SVP auf etwas humanere Arbeitszeiten hoffen. Hier sind 50 bis 70 Stunden üblich, allerdings mit viel Verantwortung für Deals und Kundenkontakte.
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Rechtliche Grauzone: Sind die Arbeitszeiten eigentlich erlaubt?
Das deutsche Arbeitszeitgesetz schreibt eine maximale tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden vor – was im Investmentbanking oft einfach ignoriert wird. Viele Banken umgehen diese Regelung durch kreative Zeiterfassung oder lassen Mitarbeiter bewusst Überstunden aufschreiben, um den Anschein der Legalität zu wahren.
Junge Banker fragen sich oft: „Wie kann es sein, dass so viele Leute ‘illegal’ arbeiten und es trotzdem keine Rechtsfälle gibt?“ Die einfache Antwort: Die meisten tun es freiwillig und nehmen es in Kauf, weil die Karrierechancen und Gehälter extrem lukrativ sind.
Investmentbanking vs. Private Equity: Wo sind die Arbeitszeiten wirklich besser?
Wer in die Finanzbranche will, weiß: Die Arbeitszeiten sind hart. Aber wie groß ist der Unterschied zwischen Investmentbanking und Private Equity wirklich? Viele wechseln nach ein paar Jahren von der Bank auf die „Buyside“, oft mit der Hoffnung auf bessere Arbeitszeiten. Doch ist das wirklich so?
Im Investmentbanking sind 80- bis 100-Stunden-Wochen normal, vor allem für Analysten und Associates. 16-Stunden-Tage sind Standard, Wochenendarbeit keine Seltenheit. In US-Banken wie Goldman Sachs oder Morgan Stanley geht es oft noch härter zu als in europäischen Häusern. Eine Umfrage zeigt, dass Analysten bei Moelis & Co 2017 im Schnitt 83 Stunden pro Woche gearbeitet haben, während es bei der Commerzbank „nur“ 50 waren.
In stressigen Deal-Phasen kann es noch extremer werden, da bleibt kaum noch Zeit für Schlaf, geschweige denn für ein Privatleben.
Investmentbanking | Private Equity | |
---|---|---|
Durchschnittliche Wochenstunden | 80–100 Stunden | 50–55 Stunden |
Spitzenzeiten (Deals, Quartalsende) | 100+ Stunden möglich | Bis zu 70 Stunden möglich |
Planbarkeit der Arbeitszeiten | Sehr gering, oft kurzfristige Änderungen | Höhere Planbarkeit, außer in Deal-Phasen |
Wochenendarbeit | Häufig erforderlich, besonders bei laufenden Deals | Gelegentlich erforderlich, aber seltener als im IB |
Erwartete Erreichbarkeit | Rund um die Uhr, E-Mails werden auch nachts beantwortet | Hohe Erreichbarkeit, aber weniger als im IB |
Arbeitsbelastung bei aktiven Deals | Extrem hoch, oft Nachtschichten nötig | Erhöhte Belastung, aber weniger intensiv als im IB |
Unterschiede nach Seniorität | Analysten und Associates mit maximaler Belastung, leichte Besserung als VP/MD | Associates arbeiten viel, aber Work-Life-Balance verbessert sich schneller mit Erfahrung |
Vergütung im Verhältnis zur Arbeitszeit | Hohe Gesamtvergütung, aber niedrigerer Stundenlohn | Ähnlich hohe Gesamtvergütung, aber besserer Stundenlohn durch weniger Stunden |
Private Equity wird oft als die „Work-Life-Balance-Alternative“ zum Investmentbanking gesehen, doch das stimmt nur bedingt. Ja, die Arbeitswochen sind mit durchschnittlich 50 bis 55 Stunden kürzer, und die Arbeit ist planbarer. Besonders in kleineren Fonds oder außerhalb von heißen Deal-Phasen ist die Belastung niedriger. Aber wer in einem großen PE-Fonds oder an einem laufenden Deal arbeitet, kommt auch schnell mal auf 70 Stunden oder mehr. Die Vorstellung, dass Private Equity plötzlich ein entspannter 9-to-5-Job ist, bleibt also Wunschdenken.
Trotzdem gibt es einen entscheidenden Unterschied: Investmentbanking ist unberechenbar. Plötzliche Überstunden, Nachtarbeit oder das Absagen privater Termine gehören zum Alltag. Im Private Equity ist die Arbeit strukturierter, und außerhalb von Deals ist es leichter, Freizeit einzuplanen. Dazu kommt, dass Private-Equity-Profis oft am Erfolg ihrer Fonds beteiligt sind, was das langfristige Einkommen attraktiver macht.
Viele Banker wechseln nach ein paar Jahren ins Private Equity – oft nicht wegen des Geldes, sondern weil sie nicht ihr gesamtes Leben der Arbeit unterordnen wollen. Die Vergütung bleibt auf einem hohen Niveau, aber der größte Vorteil ist die bessere Kontrolle über die eigene Zeit. Investmentbanking ist für die meisten ein Karrieresprungbrett – wer langfristig dabei bleibt, braucht eine enorme Belastbarkeit und muss sich bewusst sein, dass sich der Arbeitsalltag nie wirklich entspannen wird
Investmentbanken mit den längsten und kürzesten Arbeitszeiten
Die Arbeitszeiten im investmentbanking variieren stark – während einige Banken für ihre extrem langen Arbeitswochen bekannt sind, gibt es auch Institute mit vergleichsweise moderater Belastung. Besonders auffällig ist dabei der Unterschied zwischen großen US-Investmentbanken und vielen europäischen Häusern, die tendenziell humanere Arbeitszeiten bieten. Hier ein Überblick über die Banken mit den intensivsten und den am besten planbaren Arbeitszeiten.
Investmentbanken mit den längsten Arbeitszeiten
Besonders in Corporate-Finance-Boutiquen und großen US-Investmentbanken sind die Arbeitszeiten besonders anspruchsvoll. Mitarbeiter berichten von Wochen mit 80 bis 100 Stunden, gerade auf Analyst- und Associate-Level.
- VTB (Russland): Die Bank mit den längsten Arbeitszeiten – durchschnittlich 85 Stunden pro Woche.
- Moelis & Co: Eine der berüchtigtsten Banken in Bezug auf Überstunden. Mitarbeiter arbeiten hier durchschnittlich 83,6 Stunden pro Woche.
- Evercore: Mit 80,6 Stunden wöchentlich liegt diese Bank ebenfalls weit oben im Ranking.
- Goldman Sachs: Durchschnittlich 74,5 Stunden – allerdings berichten Junior Investmentbanker in internen Umfragen von erschreckenden 98 Stunden pro Woche. Viele arbeiten bis in die frühen Morgenstunden und schlafen im Schnitt nur fünf Stunden pro Nacht.
- Perella Weinberg & Lazard: Beide Banken sind für ihre extremen Arbeitszeiten bekannt, genaue Stundenangaben fehlen jedoch.
- JP Morgan: Die Bank hat eine offizielle Begrenzung auf 80 Stunden pro Woche für Junior Investmentbanker angekündigt, allerdings mit Ausnahmen für heiße Deal-Phasen.
Investmentbanken mit den kürzesten Arbeitszeiten
Europäische Investmentbanken sowie einige kleinere Boutique-Banken bieten oft eine deutlich bessere Work-Life-Balance. Hier sind die Arbeitswochen selten länger als 60 Stunden, und die Wochenendarbeit ist seltener erforderlich.
- Société Générale (SocGen): Eine der europäischen Banken mit den moderatesten Arbeitszeiten.
- Crédit Agricole: Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit beträgt 54,3 Stunden – damit eine der humansten Banken im investmentbanking.
- BNP Paribas: Liegt mit rund 50,8 Stunden pro Woche ebenfalls deutlich unter dem Branchenschnitt.
- Commerzbank: 2017 lag der Durchschnitt bei 50,7 Stunden pro Woche, später wurden jedoch 65 Stunden pro Woche gemessen.
- Royal Bank of Scotland: Hier schwanken die Arbeitszeiten zwischen 59,3 und 60,7 Stunden pro Woche.
- Berenberg Bank: Im Durchschnitt arbeiten Investmentbanker hier 66,7 Stunden pro Woche – für eine Investmentbank eher im mittleren Bereich.
Während investmentbanking insgesamt für seine intensiven Arbeitszeiten bekannt ist, gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Banken. Während Boutiquen und US-Häuser oft an der 100-Stunden-Grenze kratzen, bieten viele europäische Banken eine etwas bessere Balance – wobei auch hier Überstunden und Wochenendarbeit an der Tagesordnung sein können.
Fazit: Arbeitszeiten im Investmentbanking – harte Realität oder lohnendes Opfer?
Investmentbanking ist bekannt für seine extremen Arbeitszeiten, und das völlig zu Recht. Wer in diese Branche einsteigt, muss sich darauf einstellen, dass eine 80- bis 100-Stunden-Woche zur Norm gehört – besonders in den ersten Jahren. Analysten und Associates tragen die Hauptlast, während sich die Arbeitszeiten mit steigender Seniorität etwas entspannen, aber auch dann ist echte Freizeit oft Mangelware.
Die Unterschiede zwischen den Banken sind zwar vorhanden, aber selbst bei den „moderateren“ Häusern bleibt die Belastung hoch. Europäische Investmentbanken und einige regionale Boutique-Firmen bieten mit 50 bis 70 Stunden pro Woche eine etwas bessere Work-Life-Balance, während US-Banken und Corporate-Finance-Boutiquen regelmäßig Arbeitszeiten jenseits der 80 Stunden erwarten.
Dennoch gibt es in den letzten Jahren leichte Veränderungen: Einige Banken führen strengere Regelungen ein, um den Arbeitsdruck zumindest auf dem Papier zu begrenzen, und hybride Arbeitsmodelle haben sich langsam etabliert. Doch die Realität bleibt: Investmentbanking ist ein Hochdruckjob, in dem Erreichbarkeit und Leistungsbereitschaft über alles gehen.
Für viele Banker lohnt sich dieses enorme Zeitinvestment, denn die Gehälter sind überdurchschnittlich und die Karriereperspektiven exzellent. Aber: Wer diesen Weg geht, muss sich bewusst sein, dass Investmentbanking keine „Nine-to-Five“-Karriere ist – sondern ein Beruf, der oft das gesamte Leben bestimmt. Wer bereit ist, das zu akzeptieren, kann in der Branche viel erreichen. Wer Wert auf Freizeit, Familienleben oder geregelte Arbeitszeiten legt, sollte sich gut überlegen, ob dieser Karriereweg der richtige ist.